Geschichte der Posaunenchöre

Evangelische Posaunenchöre in der heutigen Form gibt es seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland.

Die frühesten Grundlagen hierzu legten vertriebene protestantische Christen aus Böhmen und Mähren, Regionen des heutigen Tschechiens. Sie brachten Musikalität und Instrumente mit und sammelten sich in Herrnhut, einem Ort östlich von Dresden in der sächsischen Oberlausitz. Dort kam es in der sogenannten "Herrnhuter Brüdergemeine" im Jahre 1731 zu einem ersten geordneten Musizieren. Der Begriff "Posaunenchor" wird erstmals 1764 im Herrnhuter Diarium verwendet.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand in Deutschland, vor allem zunächst in Ostwestfalen im Minden-Ravensberger Land, die Erweckungsbewegung. Sie kam als geistlich-pietistische Bewegung aus England zu uns und war die Reakiton auf die damaligen kirchlichen Verhältnisse. Sie stand in klarem Widerspruch zum Rationalismus und zur liberalen Theologie und war im Zeitalter der Industrialisierung eine Antwort auf Missstände in Kirche und Gesellschaft. Die Arbeiterfamilien waren bettelarm. Sie mussten viele Stunden am Tag arbeiten, die soziale Versorgung war schlecht, die Kindersterblichkeit hoch. Aus dieser Situation entstand eine neue Frömmigkeit von innen heraus. Sie legte in ihrer Verkündigung allen Nachdruck auf den zentralen Inhalt der Bibel. Im Zuge dieser Erweckungsbewegung, die auch gleichzeitig eine Singbewegung war, brauchte man zur Begleitung der Choräle und geistlichen Volkslieder raumfüllende Instrumente, die sich in großen Sälen und in der freien Natur durchsetzen konnten. Es entstanden "mobile Musiktruppen" für Umzüge, Waldgottesdienste, Missionsfeste etc. Die Besucher dieser Veranstaltungen nahmen die Idee mit in ihre Heimatgemeinden und die Posaunenchöre wurden immer populärer. Der erste Posaunenchor außerhalb des Herrnhuter Bereichs war wohl der 1823 gegründete von Düsselthal bei Düsseldorf. Die instrumentalen Besetzungen waren noch bunt gemischt, eher Harmoniemusik denn reiner Blechbläserchor. Geografische Gründungszentren wurden das Rheinland, Westfalen, Minden-Ravensberg und Hannover.

Am 08.10.1856 erblickte ein Mensch das Licht der Welt, der bis zu seinem Tod am 16.05.1941 für die Posaunenarbeit in ganz Deutschland zur Leitfigur wurde: der "Posaunengeneral" Johannes Kuhlo. Er war Sohn eines Pfarrers, wurde selbst Anstaltspfarrer in Bethel, gründete neue Chöre, betreute sie, lud die Bläser zu Treffen und zu Posaunenfesten ein. Er machte aus den Posaunenchören Blechbläservereinigungen mit dem so typischen runden, weichen Klang der Flügel- und Tenorhörner. Er sammelte Melodien, Choräle und Lieder, schuf Tonsätze für die Bläser und gab sie in handlichen Notenbüchern heraus. Kuhlo wurde zur integrierenden Gestalt der Posaunenchorarbeit in der Zeit des Wilhelminismus. Er war immer und überall präsent. Als Erbe dieses Engagements haben wir heute in Deutschland eine der größten kirchlichen Laienbewegungen mit über 100.000 Bläsern in über 7.000 Posaunenchören.

Die Person Johannes Kuhlo ist heute jedoch nicht mehr unumstritten. Kuhlo und andere führende Köpfe waren bereits 1931/32 der NSDAP beigetreten. Er war ein glühender Verehrer Hitlers und nahm später auch die Funktion eines Reichsposaunenwartes wahr. Kuhlo hatte eine antisemitische Einstellung und hat dieses auch offen kundgetan. Viele Chöre distanzieren sich daher heute von ihm und einige Posaunenwerke haben auch die "Kuhlo-Medaille" als Auszeichnung für hohe Bläserjubiläen wieder abgeschafft und verleihen stattdessen andere Ehrungen.

Nach dem zweiten Weltkrieg fehlten viele Instrumente. Ersatz war schwer zu beschaffen, viele Notenbücher waren verbrannt. Dennoch setzte bereits 1946 eine Gründungswelle ein, die erst in den 1970er Jahren abflachen sollte. Nach Kuhlo war der Landeskirchenmusikschulleiter  Wilhelm Ehmann aus Herford Vordenker der Posaunenchorbewegung. Unter seinen Ideen überwand man das Flügelhornideal zugunsten des Trompeten- und Posaunenklanges, vor allem in den 50er und 60er Jahren. Die Posaunenchöre sollten von "verhinderten Sängerchören" zu echten Bläsergruppen werden. Heute gibt es eine gesunde Mischinstrumentierung. Auch in der Literatur erleben wir gerade in den letzten Jahren eine Öffnung zur Spiritual-, Gospel- und Jazzszene. Auf blaspädagogischem Gebiet machen die Posaunenchöre enorme Fortschritte, nicht zuletzt aufgrund der professionellen Betreuung durch die Posaunenwerke und die Landesposaunenwarte. Posaunenchöre haben allen Grund, selbstbewusst nach vorn zu blicken.